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“Ich muss dafür sorgen, dass die Krawallos nicht noch lauter werden”

Interview / Christian Jaschinski über Wahlen und politische Kultur

Die Kommunalwahlen im Juni haben die Populisten in Elbe-Elsters Kreistag gestärkt. Landrat Christian Jaschinski (CDU) sagt im Interview, wie er trotzdem Mehrheiten für schwierige Entscheidungen finden will. 

Einige Abgeordnete sehen den Kreistag nicht als Gestaltungsgremium, sondern mehr als Untersuchungsgremium“, sagt Landrat Christian Jaschinski (CDU). Foto: Andreas Franke
Einige Abgeordnete sehen den Kreistag nicht als Gestaltungsgremium, sondern mehr als Untersuchungsgremium“, sagt Landrat Christian Jaschinski (CDU). Foto: Andreas Franke

Herr Jaschinski, Sie haben nach der Wahl im Juni (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) sieben Fraktionen im Kreistag, die AfD ist stärkste Kraft. Was hat das mit Ihnen gemacht?

Der Ton ist zum Teil rauer geworden, auch im Kreistag. Die Stimmung ist destruktiver und geprägt von persönlichen Anfeindungen, auch gegen mich. Wir kennen uns, das ist der Vorteil des ländlichen Raums. Wo ich erschrocken bin, dass bei diesen Wahlen Unbekannte gewählt wurden, die teilweise erst jüngst zugezogen waren. Das hätte ich den Wählern nicht zugetraut und das habe ich auch noch nicht erlebt. Dass Kandidaten, die keinerlei Kompetenz oder Nähe zur Region vorweisen konnten, mit sensationellen Wahlergebnissen glänzen konnten, das stimmt mich nachdenklich.

Woher kommt dieser Unmut?

Die Kreistagswahl im Juni war eindeutig eine Abstimmung über die Bundespolitik. Die Menschen waren unzufrieden mit der Ampelregierung, mit dem Heizungsgesetz und sie haben Sorge, was der Krieg in der Ukraine für sie bedeuten kann. Anfang des Jahres hatten wir die Proteste der Bauern, die bei uns im Kreis eine große Rolle spielen. Für mich war erschreckend, wie groß die generelle Abwehrhaltung gegen gewählte Mandatsträger ist. Viele haben sich vernachlässigt gefühlt, waren nicht mehr bereit, in den politischen Prozess einzutreten.

Wie ist die Stimmung im Kreistag?

Es fällt schon auf, dass wir mehr Leute im Kreistag haben, die grundsätzliche Systemdiskussionen führen wollen. Es dauert auch länger, Anträge abzuarbeiten, weil es mehr Diskussion ums Kleinklein gibt. Einige Abgeordnete sehen den Kreistag nicht als Gestaltungsgremium, sondern mehr als Untersuchungsgremium. Die wollen irgendwas finden, das angeblich schiefgelaufen ist. Die wollen Politik und Verwaltung Fehlverhalten nachweisen, mehr wollen sie nicht.

Wie kam das?

Wenn ich hier durch die Dörfer gehe, äußern die Leute viel Kritik an Politik. Sie sagen, sie haben keine Gaststätte mehr, das Café und der Einkaufsladen sind auch weg. Dann heißt es: Ihr sagt immer, Ihr wollt regionale Wertschöpfung stärken. Ich kann dann von dem erzählen, was wir machen. Aber an der Gaststätte und dem Laden messen die Leute, was ihnen die Gesellschaft wiedergibt im Alter. Die Menschen empfinden das als Wegnahmen. Sie sind empfindsamer, was Veränderungen betrifft. Sie sind auch mit höheren Ansprüchen unterwegs.

Was kann Kommunalpolitik da tun?

Politik wird in den kommunalen Haushalten gemacht. Wenn dann der Kreis in der Haushaltssicherung feststeckt für zwei Jahre, kommt man da nicht mehr raus. Dann sitzen manche Kreistagsmitglieder das nur noch ab, und dann wird draußen negative Stimmung gemacht.

Wie viel von den Strukturwandel-Milliarden kommt bei Ihnen im Kreis an?

Das Cluster für die großen Investitionen befindet sich in Cottbus und Umgebung. Da muss ich von Herzberg aus laut trommeln, um wahrgenommen zu werden. Man muss sich Verbündete suchen, um immer wieder klarzumachen, dass der ländliche Raum genauso seine Investitionen braucht und ein Recht darauf hat, dass hier etwas getan wird. Wir haben im Kreis ein Forschungsinstitut für Bergbau-Folgelandschaften in Finsterwalde. Das war schon vor dem Kohleausstiegsgesetz da und ist bis jetzt unser einziges.

Was bedeutet der Kohleausstieg für Elbe-Elster?

Der Kohleausstieg ist eine gute Sache, wenn die Grundlast gesichert ist und wir dauerhaft sicher Strom haben. Die Kohleförderung in der Lausitz hatte ihren Anfang in Elbe-Elster, wir haben die Brikettfabrik Louise. Aber wir haben auch viele Leistungsträger, die sich mit Energiewende und Klimaschutz auseinandersetzen. Was Erneuerbare betrifft, bilden wir deutlich mehr ab, als wir in der Region verbrauchen.

Welche Rolle hat das bei den Wahlen in diesem Jahr gespielt?

Die Politik der Ampelregierung hat bei uns dazu geführt, dass der Run auf die Flächen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) ungeordnet eingesetzt hat. Das führt zur Unzufriedenheit in der Bevölkerung, weil einzelne profitieren, nämlich die Eigentümer dieser Flächen, aber viele andere unzufrieden sind, weil sie mit diesen Energieanlagen konfrontiert werden. Ich finde, wir müssen grundsätzlich als Lausitz aushandeln, wie wir unsere Infrastruktur auf Vordermann bringen. Da geht es in erster Linie um Straßen und Schiene. Die Verbindungsstraße Milau sollte über 220 Kilometer die Stadt Leipzig über Elsterwerda, Ruhland, Hoyerswerda, Weißwasser und Bad Muskau miteinander verbinden. Das hätte uns als Kreis enorm geholfen…

…diese Verbindungsstraße zwischen dem mitteldeutschen und dem Lausitzer Revier wird aber nicht gebaut.

Ja, bedauerlicherweise. Unsere Pendler hätten diese Straße gebraucht. Auch die Unternehmen, die an die Märkte müssen. Diese Straße hätte Gewerbegebiete erschlossen, die schon geplant waren. Das hat im Kreis viele enttäuscht, mich auch. Der halbe Kreis pendelt zur Arbeit nach Leipzig, Cottbus, Potsdam oder Wittenberg. Bei uns sind Zukunft und Aufbruch an Verkehrswege geknüpft. Ich hoffe sehr, dass wir da im Strukturwandel noch etwas erreichen.

Sie brauchen aber Mehrheiten im Kreistag, wenn Sie etwas umsetzen wollen.

Ich sehe es als meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Krawallos nicht noch lauter werden. Notfalls müssen wir die auch abmoderieren. Wir haben einen Haushalt auf die Beine zu stellen. Die Gebühren für die Musikschule werden neu beschlossen. Das Oberstufenzentrum in Elsterwerda muss umgebaut werden. Da geht es um handfeste Politik und viel Geld. Um das hinzukriegen, müssen alle erstmal abrüsten.

Christian Jaschinski, 56, ist seit 2010 Landrat im Kreis Elbe-Elster. Zuvor war der gelernte Techniker ab 2002 ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Rückersdorf. Mit Christian Jaschinski sprach Christine Keilholz.