Welches Krankenhaus kann bleiben?
ANALYSE / KLINIKEN IN DER LAUSITZ
November 2025
An der Krankenhausreform zerbricht gerade Brandenburgs Landesregierung. Was bedeutet die Reform für die Lausitz und wie steht es um die 20 Lausitzer Kliniken wirklich?
von Christine Keilholz
Das Naemi-Wilke-Stift (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) ist ein Krankenhaus mit 150 Betten und eine Institution in Guben. Gestiftet von einem Hutfabrikanten vor 150 Jahren, verweist es auf die industrielle Geschichte der Stadt. Mit 300 Mitarbeitern ist es eins der kleinsten Häuser in der Lausitz. Doch die Zukunft ist ungewiss. Im September musste das Krankenhaus Insolvenz anmelden (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).
Für die Zukunft hofft die Gubener Klinik auf die Krankenhausreform im Bund. Die passierte am vergangenen Freitag den Bundesrat und soll Anfang nächsten Jahres in Kraft treten. Die Debatte in der Länderkammer - und die Entlassung der brandenburgischen Gesundheitsministerin - zeigten einmal mehr, wie sehr die Kliniken die Gemüter erhitzen. Schließungen oder Zusammenlegungen von Krankenhäusern stoßen oft auf erheblichen Widerstand. Solche Konflikte zeigen, dass Kliniken mehr als nur Gesundheitseinrichtungen sind – sie sind Pfeiler der Infrastruktur und Identitätsanker für die lokale Bevölkerung.
Somit ging es bei der Krankenhausreform nicht nur um die Bezahlbarkeit des Gesundheitssystems einer älter werdenden Gesellschaft. Es ging auch um Strukturpolitik für den ländlichen Raum. Das hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unterschätzt - und traf deshalb auf Widerstand gerade der ostdeutschen Länderchefs, auch aus seiner Partei.
Manche Infrastruktur erfüllt schon damit einen Zweck, dass sie vorhanden ist. Das gilt für Fraunhofer-Institute oder Bundeswehr-Kasernen in ostdeutschen Mittelzentren genauso wie für Zweigstellen von Bundesämtern in strukturschwachen Gegenden. Auch für Krankenhäuser, selbst wenn sie keine Herzpatienten versorgen können und längst nicht mehr ausgelastet sind.
Elbe-Elster muss drei Kliniken verschmelzen
Die Lausitz hat 20 Kliniken mit insgesamt mehr als 12.000 Mitarbeitern. Hinter dem Strukturfaktor Krankenhaus steht eine Arbeitnehmerschaft, die doppelt so groß ist wie die der Energiewirtschaft. Das Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum ist mit seinen 2.000 Beschäftigten der drittgrößte Arbeitgeber der Lausitz - nach Leag und BASF. Eine solche Klinik bietet eine breite Palette von Arbeitsplätzen, vom hochqualifizierten Facharzt bis hin zu Sekretärinnen und Fahrern. Demnächst wird das Thiem-Klinikum zudem 80 Professorinnen und Professoren beschäftigen, aber davon später.
Kliniken binden Dienstleister und Zulieferer aus der Umgebung ein. Sie generieren sogenannte Multiplikatoreffekte, was bedeutet, dass auch andere Wirtschaftszweige, wie Handwerk oder Gastronomie, von ihnen profitieren. Studien zeigen, dass jeder Euro, der in das Gesundheitswesen investiert wird, einen vielfachen wirtschaftlichen Effekt hat. Hinzu kommt die Lebensqualität, die das Krankenhaus am Rande der Stadt verströmt. Solange dort die Lichter brennen, fühlen sich die Menschen gut aufgehoben. Gehen sie aus, macht sich Unsicherheit breit. Selbst dann, wenn 20 Kilometer weiter ein neues Klinikum öffnet, das mehr kann und nicht unter Ärzteschwund leidet.
Das zeigt sich im Kreis Elbe-Elster. Der ist Träger von drei Kliniken in Herzberg, Finsterwalde und Elsterwerda, die nur zur Hälfte ausgelastet (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) sind, aber viel Geld kosten. Doch der Plan, die drei Standorte zu verschmelzen, löst Empörung aus. Vor allem in Finsterwalde, wo nach Plänen des Kreises nur noch die Psychiatrie verbleiben sollte, war der Widerstand so groß, dass die Pläne Anfang des Jahres vorerst gekippt wurden.
Im Ergebnis bleiben die Probleme bestehen. Die drei Kliniken machen in diesem Jahr voraussichtlich zehn Millionen Euro (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Verlust. Im Kreistag ging es weniger um die Frage, wie man die 100.000 Einwohner des Kreises am besten versorgen kann - sondern vielmehr darum, Schließungen zu verhindern.
Spremberg rettet Krankenhaus mit Kredit
Schließungen machen Angst. Zumal sie meist nicht die ersten Verluste sind, mit denen Städte zu kämpfen haben. Die 19 Klinikstandorte rund um Cottbus sind Mittelzentren, die einmal Kreisstädte waren. Die meisten haben allein durch die Kreisreformen einen Statusverlust hinnehmen müssen. Die Klinik ist meist die einzige größere öffentliche Struktur, die sie noch haben. Die Schließung kommt einer Degradierung gleich.
Aus diesem Grund kämpft auch Spremberg (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)um sein defizitäres Krankenhaus, das schon vor zwei Jahren vor der Zahlungsunfähigkeit stand. Knapp vier Millionen Euro lieh die Stadt dem Krankenhaus zu günstigen Konditionen, damit der Betrieb weitergehen kann. Eine Dauerlösung kann das nicht sein, deshalb setzt Spremberg wie Guben auf die Krankenhausreform.
Lauterbach will mit dem Gesetzeswerk die Kliniken von wirtschaftlichen Zwängen befreien. Gesundheitsversorger mag man nicht als Marktakteure sehen. Genau das sind sie aber. Sie konkurrieren nicht nur um Geld und lukrative Knieoperationen. Sie konkurrieren um Menschen - um Ärzte, Hebammen und Patienten. Die sind in manchen Gegenden so knapp, dass selbst kluge Spezialisierung den Häusern nicht weiterhilft.
Das Krankenhaus in Ebersbach (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)in der Oberlausitz hat sich zwar mit seiner gut ausgestatteten Geburtsstation einen Namen gemacht. Doch die muss trotzdem zum Jahresende schließen. Das ist das Ergebnis der Neuordnung der Kliniken, die das Landratsamt vorangetrieben hat. Der Kreis will die Geburtshilfe in Zittau konzentrieren.
Uniklinik Cottbus als Supermagnet für Ärzte
Auch Zentralisierung weckt Befürchtungen. Deshalb löst die Gründung der Medizin-Universität in Cottbus nicht nur Freude aus. Das ehemals städtische Carl-Thiem-Klinikum steigt damit zur Universitätsklinik auf. Bis zum Jahr 2038 investieren Bund und Land 2,1 Milliarden Euro für Aufbau und Betrieb der Hochschule, die in Forschung und Lehre 1.300 Menschen beschäftigen soll.
Zwar soll die Universität, die ein Prestigeprojekt Brandenburgs im Strukturwandel ist, die ländlichen Kliniken mit innovativen Ideen versorgen. Doch ob die Großeinrichtung wirklich medizinisches Personal von außen an die Lausitz bindet und damit eine Art Supermagnet für Fachkräfte wird, bleibt abzuwarten.
Es kann auch anders kommen, wenn die Ärztinnen und Ärzte zwischen Herzberg und Guben in Scharen ihr Glück in der neuen, prestigeträchtigen Uniklinik suchen. Das würde die Probleme der kleinen Lausitzer Krankenhäuser weiter verschärfen. Wahrscheinlicher ist aber das Gegenteil der Fall. Dass nämlich kluge Zentralisierung das einzige Mittel ist, um gute Versorgung dauerhaft sicherzustellen.