Passa al contenuto principale

Genoss*innenbeitrag: „Rheinmetall entwaffnen“ und „Shut the System“ – jetzt erst recht

21/08/2025

Liebe Leute,

heute gibt’s mal wieder nen Genoss*innenbeitrag, mit dem Bonus, dass es auch endlich mal wieder um friedliche Sabotage geht, ein Thema, bei dem der Titel meines Blogs mehr verspricht, als er die letzten 2 Jahre gehalten hat. Ich freu mich besonders über den folgenden Text, weil er aus der digitalen Feder meiner guten Freundin und Genossin Scully stammt - manchen von Euch vermutlich bekannt aus Ende Gelände-Zeiten - mit der ich in der Kollapscamp-Orga wahnsinnig eng zusammen gearbeitet habe, ohne die ich schon lange wahnsinnig geworden wäre, ob eines unglaublich anstrengenden und teilweise frickeligen Prozesses.

Ich freue mich außerdem sehr über ihren Text auf meinem Blog, weil er mir 1. erlaubt, Scullys eigenen Blog Disrupt (Si apre in una nuova finestra) zu bewerben, auch hier auf Steady, und 2. weil er eine Frage bearbeitet, um die ich mich seit meinem Pöbeltext (Si apre in una nuova finestra) gegen die “Friedensdemo” Ende letzten Jahres drücke: eine linksradikale Position zu artikulieren, die sich auf der Höhe der Zeit zu den Veränderungen im internationalen System positioniert. Wie bei jedem Genoss*innenbeitrag bisher (hier (Si apre in una nuova finestra), hier (Si apre in una nuova finestra) und hier (Si apre in una nuova finestra)) teile zwar nicht unbedingt alle Positionen, die Scully in ihrem Text vertritt, aber ich bin Ihr sehr dankbar, dass sie die Diskussion wieder aufmacht: wie stehen wir eigentlich zur Aufrüstung, zu den neuen Kriegen, und was ist das Verhältnis von Klimagerechtigkeit und Antimilitarismus? Irgendwann nach dem Kollapscamp werde ich dann mal versuchen, darauf zu antworten. Aber bis dahin werden noch ein paar Liter braunes, sulfatverseuchtes Wasser die Spree runterlaufen.

Bevor es gleich zu Scullys Text geht, hier noch zwei kurze Werbeblöcke:

Erstens für “The System”, eine Doku von meinem Freund Joris Postema über 3 Aktivist*innen (one of them being me), die versuchten, die Welt zu ändern, daran scheiterten, und nun versuchen müssen, mit dem Scheitern umzugehen. Der Film geht über die Standarddokus über Aktivismus hinaus, die wir mittlerweile alle kennen, wegen eines klugen Kunstgriffs von Joris: der Film handelt nämlich gar nicht von uns drei, sondern von den Fragen des manchmal hör-, aber nie sichtbaren Regisseurs, der uns immer wieder ebenso kluge wie entwaffnende Fragen stellt, in etwa: “So, did you actually achieve any structural change?” Am Ende des Films sind nicht wir Aktivisti die Protagonist*innen, sondern die fragende Zuschauerin wird selbst zur Protagonistin, die sich fragt: so how DO you change the world?

Hier der grandiose Trailer:

https://vimeo.com/1101547154 (Si apre in una nuova finestra)

Zweitens für ein spannendes Podcastgespräch über die Kollapsbewegung, das ich mit meinen alten Freund*innen Inken Behrmann und Valentin Ihßen führen durfte:

https://was-tun.podigee.io/64-kollaps-klima-politik (Si apre in una nuova finestra)

So, und jetzt, without further ado, I give you: Scully, Rheinmetall Entwaffnen, und friedliche Sabotage. Danke Scully!

______________________________________________________________________________

Ich finanziere meine politische Arbeit vor allem über diesen Blog, und wäre dankbar für Deine Unterstützung

______________________________________________________________________________

„Rheinmetall entwaffnen“ (Si apre in una nuova finestra) und „Shut the System“ (Si apre in una nuova finestra) – jetzt erst recht

Ihr wisst, ich werde Ende August auf dem Kollapscamp (Si apre in una nuova finestra) sein und ich bedauere gerade extrem, dass wir uns mit „Rheinmetall entwaffnen“ überschneiden. Hier also nochmal an alle, die kein Ticket für’s Kollapscamp haben – bitte unbedingt auf nach Köln zu „Rheinmetall entwaffnen“!

Warum mir so viel daran liegt? Weil es wichtig ist und weil es seitens der Kölner Polizei verboten wurde.


Die Begründung des Verbots

Die Polizei Köln hat eine Verbotsverfügung für das Camp erlassen. Als Begründung werden eine Reihe absurdester Konstruktionen und Anschuldigungen herangezogen, die den Campteilnehmenden „Unfriedlichkeit“ attestieren sollen, klar die linksradikale Ausrichtung angreifen und mehr oder weniger offen Linksextremismus als Vorwurf in den Raum stellen – gerichtet gegen die Organisator:innen ebenso wie gegen teilnehmende, unterstützende und aufrufende Gruppen. Außerdem sieht die Polizei Köln in der Parole „Krieg dem Krieg“, welche schon seit über hundert Jahren von der antimilitaristischen Bewegung genutzt wurde, im ersten Weltkrieg entstand und durch Kurt Tucholskys gleichnamiges Gedicht bekannt wurde, die Ankündigung, man wolle der Aufrüstung mit „kriegerischen Mitteln“ begegnen.

Weiterhin wird die angeblich seit dem Camp in Kiel „gesteigerte Gewaltbereitschaft“ der Campteilnehmenden auf die Weltlage zurückgeführt, die sich „seitdem erneut zum Negativen verändert“ habe [SIC!]. Ausgerechnet aus dieser (sachlich völlig richtigen) Feststellung die Schlussfolgerung zu ziehen, ein Camp zu verbieten und zu kriminalisieren, dass diesen Umstand kritisiert, ist an Zynismus kaum zu überbieten. Diese Art des Umgangs mit „Rheinmetall entwaffnen“ zeigt, wie weit die gesellschaftliche Militarisierung und Autoritarisierung bereits vorangeschritten ist – und wie wichtig somit solche Möglichkeiten der gemeinsamen Bildung, Vernetzung und nicht zuletzt auch der politischen Praxis sind.


Die aktuelle Weltlage

Wir befinden uns in einer außer Kontrolle geratenen Auf- und Wettrüstungsspirale, einerseits getrieben vom Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und der dadurch nur zu gerne auf’s Neue befeuerten Furcht vor einem russischen Überfall. Wir haben die alten Gegner:innen von Ost und West wieder auf der geopolitischen Weltkarte und Agenda und rüsten auf, als gäbe es kein Morgen ohne Krieg. Man könnte meinen, es gibt viele, die froh sind, endlich wieder kalten und heißen Krieg zu haben, Hauptsache, die Profite stimmen.

Auf der anderen Seite steht der Genozid Israels in Palästina – auch hier klingeln bei Rüstungsunternehmen die Kassen und es gibt kein Halten mehr, wenn es um die Unterstützung des faschistischen Regimes in Israel geht.

Neben fossilen Energiekonzernen sind es Rüstungsunternehmen, die aus dem Feiern gerade nicht mehr rauskommen angesichts ihrer explodierenden Gewinne auf Kosten von Menschenleben.

Es ist erschreckend, wie schnell sich auch die Rhetorik und die mediale Berichterstattung bereits auf „Krieg“ im wahrsten Sinne des Wortes eingeschossen hat, mit welchem Selbstbewusstsein seitens der Rüstungsindustrie Forderungen gestellt werden und wie selbstverständlich es ist, dass wir kriegstüchtig werden müssen. Widerspruch erfolgt auch hier seitens der Gesellschaft kaum.

Es ist deshalb wichtig, Widerstand gegen Militarisierung, das Aufstellen alter und neuer Feindbilder und die eskalierende Spirale der Kriegsmaschinerie zu leisten. Ob ihr Antifas seid, für Klimaschutz, mehr Geld für Bildung, Schulen, Kitas und den ÖPNV fordert, ob ihr für die Transformation von fossilen Unternehmen kämpft oder für Menschenrechte – Krieg und Aufrüstung ist in allen Fällen der Gegner.

Während es also auf Bewegungsseite endlich wieder ernstzunehmende Akteur:innen gibt, die Gegner klar benennen und „angreifen“, während die Reste der Klimabewegung jenseits von „Fridays-for-endlos-Klimastreik“ und „Neue-Generation-mit-alten-Mitteln“ wieder Lebenszeichen von sich geben und endlich verstärkt ihre antikolonialen und antikapitalistischen Ansätze mit Leben und Aktionen füllen, versucht ein immer autoritärer agierender Staat mit brandgefährlichen Begründungen ein Camp zu verbieten, welches sich klar gegen Krieg positioniert. Das ist ein extremer, politisch motivierter Angriff der Polizei auf antimilitaristische Positionen, die laut und bestimmt in der Öffentlichkeit vertreten werden. Es ist noch offen, wie diese Konfrontation juristisch ausgeht, aber ich sehe mit Freuden die Mobilisierungswelle, die bereits entstanden ist und das Selbstbewusstsein, welches die Organisator:innen an den Tag legen. Was aber auch klar ist: dieses Camp ist durch das Verbot kriminalisiert, bevor es überhaupt angefangen hat, Teilnehmer:innen sind als potentiell gefährlich eingestuft (auch das kann Konsequenzen für Einzelpersonen haben) und es wird ein öffentliches Szenario entworfen, was z.B. an die G20 – Proteste in Hamburg denken lässt. All das passiert nicht ungewollt und zufällig. Es ist Teil des Playbooks, welches seitens von Staat und Polizei unverhohlen (spätestens) seit den Protesten der Letzten Generation bespielt wird: Repression, Einschüchterung, Kriminalisierung und Gewalt gegen die, die links stehen.

Mit einem Campverbot werden auch im Falle eines Scheiterns vor Gericht Weichen gestellt für Maßnahmen, die wir in Köln sehen werden, die massiv und weitreichend sein werden. Hier könnte ein Präzedenzfall geschaffen werden, dem sich zukünftig „Ende Gelände“ (Si apre in una nuova finestra) & Co. ausgesetzt sehen werden, während „Rheinmetall entwaffnen“ im nächsten Schritt die Einstufung als Terrororganisation (siehe „Palestine Action“) droht. Deshalb und erst recht: auf nach Köln zu „Rheinmetall entwaffnen“ (Si apre in una nuova finestra) und volle Solidarität mit den Genoss:innen.


Ein Lebenszeichen einer Bewegung in Schwierigkeiten

Dieses Camp ist darüber hinaus gleichermaßen aus Bewegungssicht wichtig, denn meiner Meinung nach steckt noch sehr viel Leben in uns, wenn wir uns nur endlich trauen, zu den disruptiven Stärken bestimmter Aktionsformen zurückzukehren, diese auszubauen und weiterhin auch (und verstärkt) auf Aktionen von ZU+/Sabotage zu setzen.

Im Zuge der wachsenden Kollapsbewegung und auch als eine der Organisator:innen des Kollapscamps kommt immer wieder eine Frage: gibt es noch eine Klimagerechtigkeitsbewegung – JA! – und braucht es weiterhin Aktionen? Natürlich, mehr denn je, aber richtig 😉

Auf Seiten der Bewegungen gibt es aktuell 3 Richtungen:

Erstens, das dead-end von FFF und Neuer Generation mit dem ewigen mut-, kraft- und sinnlosen Appellieren an Parteien, Politik, Konzerne und „Verantwortliche“ einerseits.

(hot take: verantwortlich sind auch wir)

Zweitens treten aber auch diejenigen Akteur:innen auf, die sich rund um Palästina- Solidarität, fossilem Rückfall, Faschismus und der enthemmten Militarisierung endlich wieder trauen disruptiv, radikal und kontrovers zu agieren. Da treffen sich ungehorsame, antikapitalistische Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung, Antifas, erfahrene Genoss:innen aus der Anti-Atom-Bewegung und Aktivist:innen der Friedensbewegung, denen klar ist, dass es mehr als Fahnen mit Friedenstauben braucht. Diese Mischung kann neue Impulse setzen und wieder Mobilisierungspotentiale wecken, ebenso Anschlusspotential hin zur „Gesellschaft“, wenn man deutlich macht, wo die Kriegs - Milliarden fehlen bzw. besser eingesetzt wären. Es ist aber wichtig, dass Disruption, Konfrontation und echter Widerstand diesmal die Oberhand behalten über das bloße Streben nach immer mehr Menschen und Zuspruch. Been there, done that, failed.

Erkannt haben das einige und es finden sich immer häufiger und immer präsenter Meldungen über Sabotage – Aktionen mit durchaus weitreichenden Konsequenzen. Aktuell hat in Großbritannien „Shut the system“ (Si apre in una nuova finestra) den „Sommer der Sabotage“ ausgerufen und bereits einige namhafte Unternehmen angegriffen, die fossile Konzerne finanzieren und versichern. Mitmachen erwünscht, weitere Eskalation angekündigt (und angesichts der aktuellen Lage wohl auch dringend notwendig). Wir haben lange und viel diskutiert zu den Themen ziviler Ungehorsam + und friedliche Sabotage. Es gab und gibt Dinge, die dafürsprechen, ebenso wie Argumente dagegen. Wenn die aktuellen Entwicklungen anhalten, können diese Diskussionen beendet werden. Einerseits wird und muss keine Einigkeit darüber reicht werden, sondern nur ein gemeinsames Verständnis von Solidarität und der Notwendigkeit der diversity of tactics. Immer mehr entsprechende Aktionen werden zeigen, worin ihre Stärke liegt und was damit zu erreichen ist. Andererseits sorgt die brutale und katastrophale Realität dafür, dass von einem Bewegungsteil zunehmend dieser Weg eingeschlagen wird, ohne um Erlaubnis zu bitten und Konsens anzustreben und das ist gut so.

Wir dürfen nicht zulassen, dass ein antimilitaristisches Camp verboten wird, ebenso wenig dürfen wir uns selbst verbieten, Aktionsformen zu nutzen, die kontrovers sind und auch Widerspruch auslösen.

Eine Entwicklung, die definitiv parallel laufen muss, ist die sich organisierende Kollapsbewegung – die dritte der Richtungen, die ich oben erwähnte. Hier geht es nicht darum aufzugeben, sich auf den Untergang vorzubereiten und den Strukturen, die radikal – disruptive Aktionen organisieren, Fehler und Scheitern vorzuwerfen. Im Gegenteil. Es geht um die Anerkennung der laufenden Katastrophen, um sich auf realistische Optionen vorzubereiten, die möglichst vielen helfen, sowohl in den alltäglichen Verschlechterungen des „normalen Alltags“, als auch in den häufiger auftretenden Katastrophenszenarien. Es geht aber gleichermaßen darum, die eigene Wirkmacht wieder zu erleben, etwas gegen Ohnmacht, Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein tun zu können. Das dass Hand in Hand geht mit Aktionen, die das System des Kapitalismus in all seinen Erscheinungsformen ernsthaft angreifen und herausfordern, ist logisch. Wir gewinnen schließlich alle, wenn wir Erfolge erringen und nicht immer die „worst-case-Szenarien“ zu Realität werden.

Also, Rheinmetall entwaffnen und kollapscampen, denn shut the system ist das Ziel.


_________________________________________________________________________________________

Mit wütenden Grüßen,

Euer Tadzio




0 commenti

Vuoi essere la prima persona a commentare?
Abbonati a Friedliche Sabotage e avvia una conversazione.
Sostieni