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2025: DIE GLEICHHEIT DER DISKRIMINIERTEN

SACHBUCH-KRITIK

Am 12. August wird seit 2012 alljährlich der Elefanten-Tag begangen (Danke, Katzen Taschenkalender!). So natürlich auch im Jahr 2025. Eine gute Gelegenheit also, sich David A. Grahams Der Masterplan der Trump-Regierung. Project 2025: Wie ein radikales Netzwerk in Amerika die Macht zu übernimmt zu widmen, das in der Übersetzung von Stephanie Singh Ende Mai bei S. Fischer erschienen ist.

Denn, wir erinnern uns, der (rote) Elefant ist das Maskottchen der Republikaner in den USA. Jener Partei also, der der neue/alte US-Präsident Donald J. Trump wahlweise angehört oder sich Untertan gemacht hat. Dies auch mithilfe von Organisationen und Gruppen wie der Heritage Foundation oder One Million Moms. In diesen paaren sich sozialer und gesellschaftlicher Konservatismus mit wirtschaftlichem und fiskalischem Libertarismus.

Als besonders wirksam und einflussreich hervorgetan hat sich zuletzt das Project 2025 insbesondere durch das eintausend Seiten starke Mandate for Leadership. Maßgeblich initiiert von Paul Dans, mittlerweile ehemaliger Leiter des Project 2025, seit geraumer Zeit im Umfeld Trumps wie auch der MAGA-Bewegung unterwegs und geprägt durch einen traditionell-elitären Lebenslauf sowie den christlichen Nationalisten Russell Vought, einem der ersten Autoren des Mandates, ist das Ziel nicht weniger als der Um- respektive in Teilen Rückbau der amerikanischen Gesellschaft.

https://steady.page/de/thelittlequeerreview/posts/85581948-3ffc-4e73-808b-396a418423b6 (Öffnet in neuem Fenster)

Einwanderung und vermeintlich subventionierter Armut, Lotterleben (uneheliche Kinder, Regenbogenfamilien, erwerbstätige Ehefrauen, …) und >>Wokeness<<, Linken und der „>> Klimawandel-Alarmindustrie<< (Öffnet in neuem Fenster)“, Besteuerung und staatlicher Kontrolle soll entgegengewirkt werden. Diese „moralische Korrektur“ solle immer im Sinne der Freiheit der US-amerikanischen Verfassung angegangen werden. Oder so:

„>>Unsere Verfassung gewährt jedem von uns die Freiheit, nicht das zu tun, was wir wollen, sondern das, was wir sollten.<<“

So zitiert der The Atlantic-Redakteur David A. Graham den Präsidenten der Heritage Foundation Kevin Roberts. Dieser spezielle Freiheitsbegriff, der im Grunde fordert, das Nötige zu tun (im Zweifel als Kollektiv), um das Gewünschte für die dann zur „richtigen“ Gesellschaft passenden Individuen zu erzielen, ist so gut wie allen Mandate-Autor*innen gemein. Eine christlich-konservative Werte vertretende, primär weiße, möglichst gut situierte, cis-Gesellschaft aus arbeitendem Vater, erziehender Mutter und mindestens zwei gesunden heterosexuellen Kindern pro Familie.

https://steady.page/de/018e38c0-7a57-4e1c-b5b8-4c831b91d2f7/posts/97450c4c-406f-4b65-a7cc-dfb8d3f510f3 (Öffnet in neuem Fenster)

Grahams kompaktes, erhellendes und – wenig überraschend – beunruhigendes Buch ist in zwei größere Abschnitte unterteilt: Nach einer Einleitung à la „previously on USA with Trump Today“ erläutert er „Mittel und Wege“, wozu unter anderem die bereits erwähnten „Männer hinter den Kulissen“ zählen und liefert vor allem eine Ausführung, wie der „Griff nach der Exekutivgewalt“ geplant ist und gelingen soll. Ein aktueller Blick über den Teich zeigt uns, dass Trump, seine Leute, von denen nicht wenige mindestens mittelbar mit Project 2025 und dem Mandate assoziiert sind, und eben dieses Project 2025/Mandate den Umbau recht erfolgreich betreiben.

Wichtigster Punkt hierfür: Die Ministerien, Behörden und diversen Dienste, wichtige Schalt- und Schnittstellen also, mit loyalen Ideologen und politischen Anhänger*innen besetzen. Natürlich jenen, die der Project-Agenda folgen, nicht irgendwelche links-liberalen Spinner*innen*innen*innen mit ihrem Gender-Gaga und kommunistischen „Woke-Gedöns“, um mal sinnbildlich bei den Masterplan-Masterminds zu bleiben.

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Im zweiten Teil erläutert Graham „Die Agenda“ beziehungsweise deren Schwerpunkte, die wir, wie erwähnt, teils schon live in Action sehen können. Das wären „Geschlecht, Familie und Bürgerrechte“, „Einwanderung und Grenzschutz“, „Wirtschaft und Handel“, „Umwelt und Energie“, „Außenpolitik und Verteidigung“. Neben inhaltlichen Punkten arbeitet er Widersprüche ebenso heraus wie manche nicht von der Hand zu weisende Problemstellung, gibt zu, wenn die eine oder andere Lösungsoption nicht geistlos ist, erwähnt aber auch, wenn die Polit-Expert*innen fantasielos argumentieren (etwa beim Punkt Umwelt und Klima), Da an dieser Stelle nicht zu jedem Punkt ins Detail gegangen werden soll, folgen ein paar Stichpunkt-Gedanken, um aufzuzeigen, wie erfolgreich zuweilen agiert wird, wie effizient die Umsetzung von Project 2025 vonstatten geht. Dieses sei, so Klaus Brinkbäumer in seinem Vorwort, nicht nur ein amerikanischer Fahrplan: „Es ist ein identitäts- und kulturpolitischer Resonanzkörper.“

Im ersten Halbjahr gab es deutlich mehr Festnahmen durch die Abschiebebehörde ICE. Einsatz des Militärs im Inneren, wie im Juni die US-Marine in Los Angeles, Kalifornien (Öffnet in neuem Fenster), und tagesaktuell die Nationalgarde in Washington, D. C. DEI-Programme (Diversity, Equity, and Inclusion, zu dt.: Vielfalt, Gerechtigkeit, Inklusion) werden zurückgebaut, gestrichen, verboten. Dies sowohl in staatlichen Institutionen wie durch Druck auch in Privatunternehmen – übrigens auch hierzulande bei Unternehmen, die in den USA operieren (zumindest offiziell, einige agieren dabei ohne es nach außen zu tragen intern weiter wie zuvor). Zölle, Zölle, Zölle. Kürzung von Sozialleistungen, wie etwa Lebensmittelmarken und Umstrukturierung (bis Auflösung, wenn es nach manchen ginge) des staatlichen Wetterdienstes NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) oder der Entwicklungsagentur USAID. „Zensur“ durch private Unternehmen etwa in den Sozialen Medien einschränken und mehr und mehr staatlicher Kontrolle unterziehen (ein Widerspruch zu „weniger Staat“ im Übrigen, wie Graham betont).

https://steady.page/de/018e38c0-7a57-4e1c-b5b8-4c831b91d2f7/posts/6eb26330-b68f-466d-b104-594c6ece31a4 (Öffnet in neuem Fenster)

Kontrolle und Ausrichtung der nun weniger freien Presse. Beispielsweise durch massiven Druck vonseiten der FCC (Federal Communications Commission, im weitesten Sinne (!) mit dem Rundfunkrat vergleichbar) kombiniert mit den massiven Schadensersatzklagen Donald Trumps – siehe Paramount/CBS und Stephen Colberts Late Show oder nun das Wall Street Journal und Rupert Murdoch im Zuge des Epstein-Files. (Wer hätte gedacht, dass diese einmal offen gegeneinander stehen?! Hier das Gute: Murdoch hat einen Shitload of Money und ist älter als der Zeitungsdruck. Insofern könnte er dem Druck Trumps durchaus standhalten – hoffen wir's mal.)

https://www.youtube.com/watch?v=07JQr5W3970 (Öffnet in neuem Fenster)

Oder, um auch mal einen der vielen, vielen Widersprüche aufzumachen, mit Blick auf das Militär oder allgemein die budgetintensive Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Hier fokussieren die Project 2025-Menschen auf China und den Kampf gegen >>Wokeness<<. Außenministerium und Militär seien verweichlicht, letzteres auch unterbesetzt. Das Außenministerium werde beinahe nach McCarthy-Methoden auf falsche Gesinnung geprüft. Und um mehr Menschen zu den verschiedenen Militäreinheiten zu ziehen, sollen sie wieder attraktiver sein. Und was hält Leute davon ab, eines Tages Veteran*in zu sein? Richtig: trans*Personen und (arme) BiPocs. So sollen die einen ausgeschlossen und die anderen nicht mehr angeworben werden. Wie kontraproduktiv das ist, muss hier wohl nicht erwähnt werden.

https://steady.page/de/thelittlequeerreview/posts/c85b4d8d-b12a-4f73-af28-5fbcd9cd6a83 (Öffnet in neuem Fenster)

Es ist also zu sehen, was der Amerika-Kenner und Journalist Klaus Brinkbräumer (Im Wahn – Die amerikanische Katastrophe, gemeinsam mit Stephan Lamby) im erwähnten Vorwort schreibt: Der häufiger kolportierte soft depotism treffe kaum:

„Es geht eher um eine diktatorische Sehnsucht und eine autoritäre Praxis mit demokratischer Fassade; es geht um die systematische Verschiebung der Machtachse, Stück für Stück, Erlass für Erlass.“

Das Regelwerk des Project 2025 kanalisiere dabei die „Wut und Willkür“ des „Instinktpolitiker[s] mit autoritärem Temperament“ Donald Trump. Beispielsweise wenn es um Trumps Behauptung geht, dass „Einwanderung [...] ein ernsthaftes Problem für amerikanische Arbeitskräfte“ sei. Das wird im Mandate-Text so nicht bestätigt, wie Graham anmerkt und er ergänzt (überraschend):

„Insgesamt ist der Populismus der MAGA-Rechten nicht so oberflächlich, wie einige liberale Kritiker behaupten. Er ist aber auch nicht so seriös und konkret, wie seine Befürworter sagen.“

Diese Kanalisierung jedenfalls läuft so erfolgreich, dass die dem Buch von David A. Graham vorangestellte „Anmerkung zum Text“ sich Tag für Tag mehr und mehr bewahrheitet. Hiernach liege es in er Natur der Sache, dass das Buch und die Übersetzung „in einigen Punkten von der Realität überholt wird.“

https://steady.page/de/018e38c0-7a57-4e1c-b5b8-4c831b91d2f7/posts/b38aa8be-6158-4ddd-9ae9-ec083db8b011 (Öffnet in neuem Fenster)

Umso wichtiger ist es, das Werk, das knapp auch diverse Zusammenhänge und Strukturen von Behörden in den USA erläutert, als dringende Begleit- und Vorhersage-Notiz bei sich zu tragen. Zumal einige der Analysen und angeführten Widersprüche David A. Grahams nicht zuletzt auch dazu einladen, einen Blick auf Europa und Deutschland zu werfen. Manch ein Gedanke wie Mechanismus findet sich ebenso „bei uns“.

AS

PS: Die Epstein-Sache ist womöglich die einzige Story, die Trump in der Tat gefährlich werden könnte und bei der auf Dauer die Strategien „Deflect, deflect, deflect“ und „Deny, deny, deny“ nicht mehr tragen. Also nur ablenken und leugnen wie lügen könnte hier nicht ausreichen.

https://steady.page/de/thelittlequeerreview/posts/ba8b6f09-1ebe-4a7f-8e8e-ad72c88826d1 (Öffnet in neuem Fenster)

PPS: Wir empfehlen als weitere Lektüre neben Brinbäumers/Lambys erwähntem Im Wahn noch Stephan Bierlings Die Unvereinigten Staaten. Das politische System der USA und die Zukunft der Demokratie.

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Eine Leseprobe findet ihr hier (Öffnet in neuem Fenster).

David A. Graham: Der Masterplan der Trump-Regierung. Project 2025: Wie ein radikales Netzwerk in Amerika die Macht zu übernimmt (Öffnet in neuem Fenster); Mai 2025; Aus dem Englischen von Stephanie Singh, mit einem Vorwort von Klaus Brinkbäumer; 192 Seiten; Klappenbroschur; ISBN: 978-3-10-397745-5; S. Fischer; 18,00 €

Kategorie Sachbuch

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